Die Kinderbetreuungspolitik in Deutschland wird der Lebensrealität berufstätiger Eltern nicht gerecht – ein strukturelles Versagen mit weitreichenden sozialen Folgen
Deutschland wirbt seit Jahren aktiv um qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland. Doch wie ernst ist es dem Land wirklich mit Integration, Teilhabe und Familienfreundlichkeit?

Eine ausländische Krankenschwester, die ich während eines Besuchs in einer Notfallambulanz kennenlernte, ist vor rund zehn Monaten Mutter geworden. Nun, da ihre Elternzeit endet, möchte sie zurück in ihren Beruf – ein Vorhaben, das auf dem Papier selbstverständlich erscheint, in der Realität jedoch an einem altbekannten Problem scheitert: Sie findet keinen Betreuungsplatz für ihr Kind. In ihrer Verzweiflung wandte sie sich an mich – in der Hoffnung, wir könnten helfen. Wir haben es versucht. Doch die Hürden sind schlicht zu hoch für gewöhnliche Bürgerinnen und Bürger.
Seit März 2025 bemüht sie sich intensiv um einen Kita-Platz. Sie hat mit der Personalabteilung ihres Arbeitgebers gesprochen, bei verschiedenen Kindertageseinrichtungen vorgesprochen, ihr Kind auf Wartelisten setzen lassen – und doch: keine Zusage, keine Perspektive. Eine Kita antwortete auf Nachfrage, man könne für das Betreuungsjahr 2025/26 keine weiteren Kinder aufnehmen.
Diese Situation ist kein Einzelfall. Und sie ist keineswegs neu. Als meine eigene Familie vor rund 20 Jahren in einer ähnlichen Lage war, berichteten Medien bereits über den akuten Mangel an Betreuungsplätzen. Gebessert hat sich seither wenig – im Gegenteil: Der Druck auf Familien wächst, und mit ihm die Lücke zwischen politischem Anspruch und gelebter Wirklichkeit.
Seit Anfang der 2000er Jahre wirbt Deutschland gezielt um internationale Fachkräfte. Zeitgleich wird die heimische Bevölkerung ermutigt, Kinder zu bekommen – denn der demografische Wandel verlangt nach Nachwuchs. Unter Angela Merkel wurde der Grundsatz etabliert, dass in der modernen Gesellschaft beide Elternteile erwerbstätig sein sollten – eine Realität, die längst in vielen deutschen Haushalten, insbesondere auch in Familien mit Migrationshintergrund, angekommen ist.
Doch was nützt es, wenn Politik an die Verantwortung der Bürgerinnen und Bürger appelliert, diese ihre Aufgaben auch erfüllen – aber die strukturellen Rahmenbedingungen seit Jahrzehnten unzureichend bleiben? Die politische Arbeit in diesem Bereich hat bis heute kein zufriedenstellendes Ergebnis hervorgebracht. Im Gegenteil: Die Situation für berufstätige Eltern hat sich spürbar verschärft.
Der Mangel an Betreuungsplätzen ist nicht nur eine individuelle Belastung – er ist ein gesellschaftliches Problem. Wer keine Betreuung für sein Kind findet, kann nicht arbeiten, fällt in Teilzeit zurück oder leidet unter ständiger Unsicherheit. Arbeitgeber, insbesondere im Gesundheitswesen, verlieren dringend benötigte Fachkräfte – mit Auswirkungen auf ganze Versorgungsketten. Die wirtschaftlichen und sozialen Folgekosten dieser Betreuungslücke sind enorm.
Wenn qualifizierte Fachkräfte – wie die erwähnte Krankenschwester – aufgrund fehlender Infrastruktur gezwungen sind, beruflich kürzerzutreten oder ihre Rückkehr in den Job zu verschieben, verschärft das den Fachkräftemangel weiter – insbesondere in systemrelevanten Bereichen. Es zeigt sich auf bedrückende Weise, wie stark persönliche Schicksale mit politischen Fehlentwicklungen verknüpft sind.
Dabei ist die Erwartung keine überzogene: Bürgerinnen und Bürger – und damit auch berufstätige Eltern – sind zugleich auch Verbraucher staatlicher Leistungen. Sie haben ein berechtigtes Interesse daran, dass diese Leistungen verlässlich, bedarfsgerecht und zeitnah zur Verfügung stehen. Die unzureichende Verfügbarkeit von Betreuungsplätzen berührt daher nicht nur individuelle Lebensentwürfe, sondern auch grundlegende Verbraucherrechte gegenüber dem Staat, der seiner Fürsorgepflicht gerecht werden muss.
Die Frage, ob Deutschland wirklich bereit ist für die Fachkräfte, die es selbst so dringend sucht, bleibt vorerst unbeantwortet. Doch eines ist klar: Ohne eine bürgernahe, vorausschauende und verbindliche Familien- und Infrastrukturpolitik bleibt der Fachkräftemangel nicht nur bestehen – er wird hausgemacht.
Seit Jahren erleben wir dieselbe unveränderte Wirklichkeit: Politische Akteure treten seriös und vertrauensvoll auf, doch ihre Maßnahmen führen nur selten zu greifbaren, positiven Ergebnissen für jene Bürgerinnen und Bürger, die mit ihrer täglichen Arbeit das Funktionieren unseres Landes sichern.
„Es fehlt in unserem Land an Leidenschaft für Kinder.“
„Die aktuelle Situation ist ja nicht spontan aufgekommen. Den gesetzlichen Anspruch auf einen Kita-Platz gibt es bereits seit 1996.“
„Die Lage ist sogar noch schlimmer, so ist jedenfalls mein Eindruck. Bildung hat keine Priorität mehr. Dass jetzt mehr als 400.000 Kita-Plätze fehlen, ist ein Skandal. Frühe Bildung muss dringend ein zentrales Thema in der Politik werden„
Dr. Ilse Wehrmann ist Diplom-Sozialpädagogin, Erzieherin und freie Beraterin im Bereich frühkindlicher Bildung
Jahr 2025
In Hessen besteht eine akute Kita-Krise, die sich durch einen drastischen Personalmangel äußert und zu verkürzten Betreuungszeiten, fehlenden Kita-Plätzen und einer Überlastung des Personals führt. Fast 600 Kinder standen in Groß-Gerau auf Wartelisten, und in Darmstadt konnten nicht alle Betreuungsplätze angeboten werden. Das Problem ist in vielen Kommunen Hessens verbreitet, und der Fachkräftemangel beeinträchtigt sowohl die Eltern als auch die Unternehmen
Mehr dazu lesen: https://www.hessentoday.de/hessen/news/kindergarten-kita-platz-zahlen-mangel-statistik-erzieher-3457299?utm_source=chatgpt.com
In anderen Bundesländern ist es genauso.
Jahr 2024
Streit über Kitas: „Wahlversprechen sind Schall und Rauch“
Kita-Kollaps mit Folgen für Unternehmen
Jahr 2016
„In Deutschland wandelt sich Grundsätzliches: Immer mehr Frauen wollen arbeiten. Sie streifen das langjährige Rollenbild der Nachkriegszeit ab, wonach das weibliche Geschlecht vornehmlich Haus und Kinder hüten sollte. Waren im Jahr 2000 erst 59 Prozent der Mütter berufstätig, stieg der Anteil bis 2012 auf 66 Prozent. Doch die Frauen fühlen sich noch immer eingeschränkt. Fast jede dritte weibliche Fachkraft würde gern Vollzeit arbeiten, wenn sich die Kinderbetreuung besser organisieren ließe. Das ergibt eine Befragung der Jobbörse Stepstone, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt.“
Auszug aus dem Artikel der SZ vom 6. März 2016, 19:07, Url: https://www.sueddeutsche.de/karriere/studie-sache-der-mutter-1.2894238?utm_source=chatgpt.com
- Fast jede dritte weibliche Fachkraft würde gern Vollzeit arbeiten, wenn sich die Kinderbetreuung besser organisieren ließe, besagt eine Studie.
- In Deutschland glauben 80 Prozent der Frauen, dass Kinder ihrer Karriere schaden.
- Frauen und Männern sind Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie offenbar unterschiedlich wichtig.
Bereits im Jahr 2000 gab es Realisierungsprobleme: Trotz vorhandener gesetzlicher Ansprüche (z. B. Betreuung von 3–6-Jährigen) und Konzepte wie „Erziehungszeit“ oder „Erziehungsgehalt“ wurde Kinderbetreuung nicht bedarfsgerecht umgesetzt. Deutschland befand sich in einem deutlichen Betreuungsdefizit – besonders in Westdeutschland und Ballungsräumen. Berufstätige Eltern (v. a. Mütter) blieben eingeschränkt im Arbeitsleben, was sowohl gesellschaftlich als auch politisch problematisch war.
Jahr 2004
„Mindestens einmal wöchentlich habe ich dort angerufen, und ich glaube, wenn ich nicht so vehement darum gekämpft hätte, hätte ich diesen Krippenplatz nicht bekommen.
Durchschnittlich gibt es in Deutschland nur für 9 von 100 Kinder unter drei Jahren einen Platz in einem Tagesheim. Die Kindergartenkinder sind mit durchschnittlich 90 Plätzen pro 100 Kindern zwar grundsätzlich besser versorgt – aber eben nur halbtags, und wenn beide Eltern berufstätig sind.
Wo Krippenplätze fehlen und die Kleinkinder auch nicht durch andere Personen versorgt werden können, sind Mütter oder Väter gezwungen, ihren Beruf für mindestens drei Jahre ganz aufzugeben, um den Nachwuchs zu versorgen.
Auszug aus einer Sendung des Deutschlandfunksm – von Sibylle Hoffmann | 09.09.2004. Quelle >>>
Die Problematik bleibt weitgehend chronisch – viele Einzelbürger/innen konnten seit Jahrzehnten kaum etwas bewirken.
Politisch formulierte Ziele existieren – aber die Erfahrung für Eltern bleibt beunruhigend ähnlich wie vor 25 Jahren. Wer damals spürbar nichts verändern konnte, sieht sich heute bestätigt: Sprache ist da, Ergebnisse bleiben meist aus – oder zu wenig.

Das Projekt Einzelbürger Stärken kämpft für die Stärkung des Einzelnen. Machen Sie mit >>> , gemeinsam für schnelle Lösungen! Denn nur der Einzelne, der seine demokratische Macht nutzt, kann echte Veränderungen anstoßen.
Unser Projekt verfolgt das Ziel >>>, dass jeder Bürger – einfach, schnell und ohne Kosten – sein bereits gesetzlich verbrieftes Recht auf Kinderbetreuung durchsetzen kann.
Konkret bedeutet das:
- Innerhalb kürzester Zeit soll jede Familie die Möglichkeit haben, den Staat, das Bundesland oder die jeweilige Kommune ohne Kostenhürde dazu zu veranlassen,
- einen wohnortnahen Betreuungs-/Kitaplatz zu vergeben, oder
- unbürokratisch ausreichenden Schadensersatz zu erhalten, damit private Betreuung (z. B. Tagesmutter, Nanny) finanziert werden kann.
Damit wird es Eltern ermöglicht, normal und unbeschwert ihrer Arbeit nachzugehen, ohne dass die Betreuungslücke für ihre Kinder zum existenziellen Problem wird.
Das ist vernünftig, demokratisch und rechtlich anschlussfähig, weil:
- es sich am bestehenden Rechtsanspruch (§ 24 SGB VIII) orientiert,
- Bürgerrechte leichter und ohne finanzielle Barrieren durchgesetzt werden können,
- die Lösung praktisch entlastet: Eltern müssen nicht mehr Monate oder Jahre auf Gerichtsentscheidungen warten.
Das, was es erreichen will, entspricht demokratischen Grundwerten – weil es Machtungleichgewichte zwischen Bürger und Staat reduziert.