
Bei einer Bank in Offenbach
Ein Mann, etwa Mitte 60, schilderte mir im Wartebereich auf einer Bank ein alltägliches, aber bezeichnendes Problem: Seit längerer Zeit wird seine Kreditkarte beim Bezahlen regelmäßig nicht akzeptiert – und die Bank, die ihm diese Karte ausgestellt hat, zeigt weder Interesse noch effektiven Einsatz, um das Problem zu beheben. Er hat mehrfach das Gespräch mit dem Personal in seiner Filiale gesucht. Ich war persönlich anwesend, als er freundlich, aber bestimmt um Hilfe bat. Die Reaktion: routiniert, gleichgültig, von echtem Problembewusstsein keine Spur.
Er berichtete mir, er habe auch das Beschwerdemanagement per E-Mail kontaktiert. Die Antwort: zusammengesetzte Textbausteine ohne Substanz, kein konkretes Eingehen auf das Anliegen. Danach sprach er erneut persönlich vor – doch das Gefühl blieb: Niemand nimmt ihn ernst.
Ich bot ihm an, seine Erfahrung in einem kurzen Videointerview zu dokumentieren, um das Thema öffentlich zu machen. Doch er lehnte ab – aus Angst vor möglichen Repressalien der Bank. Stattdessen sagte er resigniert: „Ich habe mein Geschäftskonto bei dieser Bank, meine Kinder auch. Ich mag die Bank eigentlich. Aber sich zu beschweren lohnt nicht – es wird nur schlimmer.“ Für Initiativen wie ein Bürgerprojekt zum Verbraucherschutz hat er wenig Hoffnung. „So etwas ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Deutschland hat keine Servicekultur.“
Was dieser Mann beschreibt, ist sinnbildlich für ein verbreitetes Phänomen: Die systematische Missachtung von Kundenanliegen wird nicht als Ausnahme empfunden, sondern als Normalzustand. Und viele Verbraucher fügen sich – aus Gewohnheit, aus Angst oder aus Resignation. Obwohl er Zeit und Nerven verliert, hält er der Bank die Treue. Warum? Weil er überzeugt ist, dass es anderswo genauso läuft. „Man muss eben geduldig bleiben, es immer wieder versuchen“, sagt er. Doch genau dieses Verhalten schwächt die Position der Verbraucher auf dem Markt – paradoxerweise durch ihre eigene Anpassung.
Dabei existieren in Deutschland durchaus gute gesetzliche Regelungen zum Verbraucherschutz. Doch im Alltag bleiben diese oft wirkungslos – nicht zuletzt, weil es an effektiven Mechanismen zur Durchsetzung individueller Rechte mangelt. Unser Rechtsstaat hat bis heute kein ausreichend individualisiertes Verständnis von Verbraucherschutz entwickelt.
Viele Politiker werben gern um die individuelle Stimme des Bürgers – doch sobald sie im Amt sind, profitieren sie selbst von Sonderbehandlungen, während der gewöhnliche Verbraucher mit systematischer Gleichgültigkeit konfrontiert ist. Die Realität zeigt: Freundlichkeitsfloskeln ersetzen keine echte Servicekultur. Wo Unfreundlichkeit, Ignoranz und Inkompetenz dominieren, helfen auch Höflichkeitsphrasen nicht – sie kaschieren lediglich verbraucherfeindliches Verhalten.
In zahlreichen Einrichtungen – seien es Banken, Arztpraxen, Notaufnahmen von Krankenhäuser, Pannenhilfen bei Automobilclub, Fluggesellschaften oder Behörden – erleben Verbraucher tagtäglich ein bedrückendes Maß an Gleichgültigkeit. Sie werden nicht als individuelle Menschen mit Sorgen, Gefühlen und konkreten Lebensrealitäten wahrgenommen, sondern als bloße Verwaltungsobjekte, die es nach Schema F abzufertigen gilt. Persönliche Anliegen stören den Ablauf, Empathie gilt als Betriebsstörung. Die Mitarbeitenden verhalten sich oft so, als diene ihr erlerntes Fachwissen allein dem Erwerb des Diploms – nicht jedoch der verantwortungsvollen, menschlich zugewandten Anwendung im Alltag. Man nimmt sich keine Zeit, kein echtes Interesse – der Mensch vor ihnen scheint nicht zu existieren. Statt Hilfe erhalten viele nur Prozessrhetorik und standardisierte Verweise. Wer es dennoch wagt, sich zu beschweren oder auf Missstände hinzuweisen, wird sofort als lästiger Querulant, als ‚das eigentliche Problem‘ markiert – und auf subtile Weise zum Schweigen gebracht. Es ist ein System, das nicht auf Fürsorge, sondern auf Abwehr programmiert ist. Und es ist die Würde des Bürgers, die dabei schleichend unter die Räder kommt.
Verbraucherschutz beginnt beim Einzelnen
Wenn Sie nicht länger bereit sind, sich im System der Gleichgültigkeit abfertigen zu lassen, dann schließen Sie sich dem Projekt Einzelbuerger Staerken an – denn die notwendigen Veränderungen im Verbraucherschutz werden nicht von oben kommen, sondern durch die entschlossene Aktion vereinter Verbraucher. Nur wenn wir gemeinsam an das Ziel glauben, gewinnen wir die Kraft, die aktuelle Realität zu durchbrechen. Es wird sich nichts ändern, solange wir uns weiterhin alles gefallen lassen.
Echte Veränderungen im Verbraucherschutz werden nicht freiwillig von der gewöhnlichen Politik oder Institutionen angestoßen – sie können nur durch uns selbst kommen: durch bewusste, individuelle Verbraucher, die erkennen, dass sie oft nicht korrekt behandelt werden, und bereit sind, entsprechend zu handeln. Zum Beispiel, indem sie bei Wahlen nur noch Kandidaten ihre Stimme geben, die öffentlich und unmissverständlich versprechen, sich für einen echten, wirksamen Verbraucherschutz einzusetzen – und in ihren Wahlprogrammen genau erklären, wie sie dieses Versprechen im neuen Mandat umsetzen wollen. Verbraucher in ihren Rollen als Wähler müssen die Politik zu entsprechender Handlung bewegen. Wenn Sie selbst als Individuum gerade nicht aktiv kämpfen möchten, unterstützen Sie dennoch sichtbar unser Projekt Projekt Einzelbuerger Staerken – damit andere Verbraucher ermutigt werden, gemeinsam mit uns dafür einzutreten, dass Einrichtungen endlich das erbringen, wozu sie durch Verbraucherschutzgesetze verpflichtet sind – eine sachlich korrekte, professionelle Serviceleistung gegenüber jedem Einzelnen. Diese gesetzlich geschuldete Leistung wird allzu oft verweigert, weil Einrichtungen ihre strukturelle Macht ausnutzen und auf die Passivität der Verbraucher setzen.
Bei der Erbringung von Leistungen gegenüber Individuen geht es den aller meisten Einrichtungen nicht um eine umgängliche oder kundennahe Umsetzung, sondern vorrangig um betriebswirtschaftliche Effizienz – sprich: maximale Gewinnabschöpfung durch standardisierte Massenabfertigung. Individuelle Bedürfnisse stören dabei nur. Doch genau darin liegt das Problem: Diese Einrichtungen operieren in einem Staat, der sich nicht ausschließlich marktwirtschaftlichen Prinzipien verpflichtet hat, sondern in erster Linie seinen eigenen Gesetzen – Gesetzen, die den Schutz und die Rechte jedes einzelnen Bürgers garantieren. Ein Staat, der seine Souveränität aus der Existenz und Würde des Individuums bezieht, und der sich bewusst für die Demokratie entschieden hat, kann es sich nicht leisten, tatenlos zuzusehen, wie systematisch gegen diese Prinzipien verstoßen wird. Es ist deshalb nicht nur eine Frage der Moral, sondern auch eine der demokratischen Integrität, dass selbst mächtige Institutionen die Rechte des Einzelnen achten und gesetzeskonform handeln.
Die Probleme nehmen zu – und auch wenn man selbst (noch) nicht betroffen ist, kann man sie durch die Erfahrungen anderer gut erkennen, wenn man genau hinschaut
Beim Büro des medizinhischen Dienstes in Offenbach
Im untenstehenden Video berichte ich von einer bezeichnenden Erfahrung mit dem Medizinischen Dienst. Am Haupteingang eines Verwaltungsgebäudes sprach mich ein alter, schwer kranker Mann an – sichtlich erschöpft, auf Gehstützen angewiesen, blass, schwer atmend und vom Weg gezeichnet. In der brütenden Mittagshitze suchte er verzweifelt den Weg zum Büro des Medizinischen Dienstes im dritten Stock. Er bat mich um Hilfe, und ich begleitete ihn. Im Aufzug erzählte er mir, dass er einen Antrag auf Erhöhung seines Pflegegrades gestellt hatte – doch das zugeschickte Formular sei für ihn allein nicht ausfüllbar. Telefonisch habe er dort niemanden erreichen können. Deshalb sei er trotz seines gesundheitlichen Zustands persönlich erschienen, um endlich Hilfe zu bekommen. Wäre ich nicht zufällig dort gewesen und hätte nicht darauf bestanden, dass ihm unverzüglich geholfen wird, hätte die Einrichtung diesen Menschen womöglich wieder fortgeschickt – weil er nicht ins Raster passte. Diese Begegnung zeigt exemplarisch, woran es vielen staatlichen Einrichtungen mangelt: an einer wirklichen bürger-, verbraucherorientierten Haltung. Anstatt flexibel und menschlich zu reagieren, werden Hilfesuchende oft in standardisierte Prozesse gezwängt – und ihre Not bleibt unbeachtet. Leider durfte diese Situation aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht per Video dokumentiert werden.
Für Verbraucherinnen und Verbraucher bedeutet das in der Praxis oft einen Nachteil: Es ist äußerst schwierig, Beweise für Fehlverhalten oder Machtmissbrauch durch staatliche oder im staatlichen Auftrag handelnde Stellen zu sichern.